Ausgabe 7 / 2016

PORTRAIT Ausgabe 7/ 2016Mnemosyne
Göttin der Erinnerung – Tochter von Himmel und Erde – Mutter der Künste

Als Tochter der Gaia und des Uranos gehört Mnemosyne zum urtümlichen Geschlecht der Titanen. Der Poet Hesiod beschrieb sie als Mutter der neun Musen, die sie dem Zeus am Olymp gebar, nachdem sich die beiden Gottheiten neun Nächte lang vereinigt hatten. Ihr verdanken wir aber nicht nur die Künste, sondern vor allem unser Gedächtnis, den Grundstein also für unseren Verstand, die Basis für Wissen, Forschung und Zusammenleben. Kurz: Ohne Erinnerung wäre keine Kultur, keine Zivilisation möglich. Mnemosyne ist in gewisser Weise auch Gebieterin über die Zeit, da wir Menschen ohne die Gabe des Erinnerungsvermögens keine Vorstellung davon hätten.

Im Hades, der Unterwelt, ist ein Fluss der ihren Namen trägt. Wer Wasser aus der Mnemosyne trank, konnte sich nicht nur an alles erinnern, was ihm selbst jemals wiederfahren war, sondern er wurde allwissend, seine Seele öffnete sich der Wahrheit.

Der Ägyptologe Jan Assmann unterscheidet zwischen dem kulturellen Gedächtnis einer Gesellschaft, unserem Gedächtnisspeicher, und dem kommunikativen, also individuellen Gedächtnis. Beide sind miteinander verknüpft, weil sie einander als Bezugssysteme brauchen. Beide bilden unsere Identität. Ohne Kultur wären wir nicht in der Lage uns an persönliche Ereignisse zu erinnern, ohne persönliche Erinnerung gäbe es keine Kultur.

Es ist die Erinnerung, die unsere Gegenwart, unsere Zukunft, ja unser Sein ermöglicht.

 

 Editorial der Ausgabe 7 / 2016 

Gesprächspartner der Ausgabe 7 / 2016

  • Emma Cline
  • Christian Köberl
  • Lisbeth Zwerger
  • Raoul Schrott
  • Karin Frank
  • Sabine Ladstätter
  • Werner Jost
Hier abonnieren